Von der Anfängen der Arbeitskreise - der 'Krähe Kreis'

 

Am 21. März 1942 schickt Professor Dr. Dr. h.c. mult. Eugen Schmalenbach einen Korrekturabzug seiner Schrift „Dienststellengliederung in Großbetrieben“ an seinen ehemaligen Schüler und Vertrauten Dr. Walter Krähe, einem leitenden Angestellten des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats. Ihm seien Bedenken gekommen, die Arbeit zu veröffentlichen, ist im Begleitschreiben zu lesen. „Ich kann mir aber denken“, so heißt es weiter „dass die Schrift eine gute Grundlage für eine Kommission sein würde, die vielleicht jeden Monat einmal zusammenkäme und sich die verschiedenen Punkte überlegte und die noch offenen Fragen klärte.“ Den institutionellen Rahmen sollte die Schmalenbach-Vereinigung schaffen; ein 1932 gegründeter Verein der Schüler und Freunde von Eugen Schmalenbach, aus dem die heutige Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. hervorgegangen ist. Walter Krähe kommt der Bitte seines akademischen Lehrers nach und nimmt am 29. Mai 1942 mit sieben weiteren ehemaligen Schülern die Arbeit auf.

Im Rückblick bildet dieses Schreiben den Ausgangspunkt für ein historisches Ereignis, das bis zum heutigen Tage trägt: Mit der von Walter Krähe geleiteten „Organisations-Kommission“ fand erstmalig eine institutionalisierte, fachliche Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre statt. In kurzer Folge entstanden weitere Kommissionen z.B. für Fragen der Wirtschaftslenkung, großbetriebliche Lohnabrechnungen, Arbeitsvorbereitung oder Abrechnung von Neubauten. Stets gaben von Schmalenbach verfasste Manuskripte hier den Diskussionsanstoß. Die einzige Bedingung, die Schmalenbach an die Auswahl der Kommissionsmitglieder knüpfte, war, dass „sie mit entsprechender Erfahrung und mit Liebe zur Sache dabei sind“. Und auch wenn er meist nicht persönlich an den Sitzungen teilnahm, folgten sie seiner Regie: „Ich würde mir die Arbeit der Kommissionen so denken, dass für jede Sitzung ein begrenztes Gebiet Gegenstand der Beratung sein würde, und dass die Ergebnisse der Beratung anschließend in einem ausführlichen Protokoll niedergelegt und vervielfältigt würden. Die Vervielfältigungen werden dann den Mitgliedern und sonst infrage kommenden Personen zugesandt. Gleichzeitig müsste schon die nächste Sitzung vorbereitet werden, damit stets ein guter Erfolg gewährleistet wird.“ – Das Grundgerüst für den Dialog von Wissenschaft und Praxis in Arbeitskreisen war geschaffen.

Dabei gestalteten sich die Anfänge der Arbeitskreise aufgrund der Widrigkeiten der Kriegszeit äußerst schwierig. So fand die Gründungssitzung des später so genannten „Krähe-Kreises“ am Tag des ersten großen Luftangriffs auf Köln statt. Wenige Stunden nachdem die Kommissionsmitglieder im Kölner Dom Hotel tagten, begann mit dem „1000-Bomber-Angriff“ der erste flächendeckende Großangriff auf Köln. Hinzu kamen die Schwierigkeiten, die aus der politischen Lage für Eugen Schmalenbach und seine Frau erwuchsen. Schmalenbachs Frau Marianne war jüdischen Glaubens. Die Schmalenbach-Vereinigung war daher gefährdet, unter politischen Zwang zu geraten, zumal das Kulturministerium die Auflösung der Vereinigung, zumindest aber die Tilgung des Namens „Schmalenbach“ gefordert hatte.
Dabei zählte Eugen Schmalenbach in der Zeit seiner Tätigkeit an der Universität zu Köln zu den populärsten Vertretern seiner Zunft. Der Entwicklungsprozess der Betriebswirtschaftslehre stimmt vor allem nach dem ersten Weltkrieg in weiten Teilen mit Schmalenbachs wissenschaftlichem Werk überein. Mit ihm findet das Fach zu seinem akademischen Selbstverständnis und erfährt zugleich eine gesicherte Verankerung in der Wirtschaftspraxis. Schmalenbach verstand die Betriebswirtschaftslehre als eine angewandte Wissenschaft; Aufgabe des Faches an der Hochschule sei es, „den Dienst am Kunden zu pflegen“. 1931 schrieb er aus der geistigen Distanz zu den früheren hitzigen Debatten: „Eine Betriebswirtschaftslehre nach meinem Sinne musste letzten Endes, unmittelbar oder mittelbar, dem praktischen Betrieb dienen; eine andere Betriebswirtschaftslehre interessierte mich in keiner Weise. Mochte man das, was ich wollte, ruhig Kunstlehre heißen, diese Kunstlehre war gerade das, was mir Wissenschaft war.“ Der unmittelbare und ständige Austausch mit der Praxis war damit für Schmalenbachs Arbeiten elementar. Hierzu diente ihm die bereits während seiner aktiven Zeit an der Universität zu Köln gegründete Schmalenbach-Vereinigung: Sie institutionalisierte Schmalenbachs Verbindung zur Praxis. Seine eigentliche Bewährungsprobe meisterte das Netzwerk, als das NS-System Schmalenbach den Zugang zum ‚praktischen Betrieb‘ weitgehend verwehrte und ihn ins innere Exil zwang. Über das Instrument der Kommissionen vermittelte die Schmalenbach-Vereinigung den für Schmalenbachs Schaffen notwendigen vielfachen Meinungsaustausch und ersetzte ihm das „aktive Seminar“ durch ein Seminar der „Alten Herren“ außerhalb der Hochschule.

Die aus der Not geborenen Kommissionen haben sich als Institutionen des Wissenstransfers in besonderem Maße bewährt. Als sich 1952 die Schmalenbach-Vereinigung über den Kreis der Schmalenbach-Schüler hinaus allen Interessierten öffnete, wurden sie – nun unter der Bezeichnung „Arbeitskreise“ – in § 2 der Satzung ausdrücklich verankert. Der „Krähe-Kreis“ hat noch bis 1984 ohne größere Unterbrechungen unter Leitung von Walter Krähe in insgesamt 251 Sitzungen getagt und in dieser Zeit aufgrund seiner Aktivitäten große  Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren. Ein herausragender Moment unter vielen war die Ausstellung des Funktionsmodells der Unternehmensorganisation im Deutschen Haus der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Nach kurzer Unterbrechung nahm der AK Organisation 1986 unter neuer Leitung und in neuer Zusammensetzung die Arbeit wieder auf.

 

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Ehrhardt
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